Mit Filmen ist es grundsätzlich ein wenig wie mit der Popmusik: Niemand wird mehr The Beatles sein. Das hängt mit so etwas wie einer Inflation von Produkten zusammen, aber auch mit den Möglichkeiten, überhaupt neue und gleichzeitig das Jahr überdauernde Werke schaffen zu wollen oder können, die gesellschaftlich relevant sind. Zu Beginn des Kinos waren wirkliche Meisterwerke geradezu Ehrfurcht gebietend. Um die Weltkriege herum bemühten sich zudem viele Länder, möglichst viele Menschen mit eindrucksvoller Technik und drängenden Botschaften zu erreichen. Ähnliches lässt sich auch über die Zeit des Kalten Krieges, von Vietnam, den Terrorismus der 70er und in Teilen auch über die Auflösung der Sowjetunion sagen. Generell widmete sich „der Westen“ aber meist der Unterhaltung mit zivilgesellschaftlichem Beiwerk, egal ob via Hollywood oder das, wofür „Cannes“ ein Synonym wurde.
Das US-amerikanische Prinzip, mittels eines an diversity orientierten Ansatzes (und einer global dominanten Muttersprache) gleichzeitig den Binnenmarkt zu bespielen wie am Export zu profitieren, hat in Deutschland bislang keine große Rolle gespielt. Auch daher wird „deutsch“ global immer noch oft mit „expressionistisch“ gleichgesetzt, also mit Lang und Murnau zum Beispiel identifiziert. Manche Werke und Regisseure erreichten jenseits des deutschen Sprachraums dennoch auch seit 1945 andere Märkte von Deutschland aus: Wenders, Schlöndorff, Herzog, Petersen und in manchen Zirkeln auch Fassbinder.
Deutsche Filme, die man gesehen haben sollte
Was das Werk von Fritz Lang betrifft, lässt sich über das „Über“-Meisterwerk kaum streiten: Metropolis erzählt zwar von so etwas wie einem „völkischen Körper“ und hat auch ansonsten eine etwas märchenhafte Lösung für gesellschaftliche Konflikte und Ausbeutungsmechanismen, steht aber recht unangefochten als das wohl wichtigste Werk nicht nur der deutschen Filmgeschichte zu Recht in vielen Annalen. Von Friedrich Wilhelm Murnau hingegen ist wohl Nosferatu bekannter als sein Faust, letzterer aber am Ende wohl doch das bessere Kulturdenkmal. Josef von Sternbergs Der Blaue Engel (nach Professor Unrat von Heinrich Mann) war dann – auch dank Marlene Dietrich und Hans Albers – eine wegweisende erste Interpretation eines Buches, der der Wille zum Straßenfeger ebenso deutlich anzusehen war wie eine neue Handschrift aus Millieustudie, nicht zuletzt Ton und Musik (Friedrich Hollaender) und natürlich „Star und Sex-Appeal“. Nicht zu vergessen auch Berlin Alexanderplatz nach Alfred Döblin von Phil Jutzi.
Aus den Trümmern heraus filmte es sich dann bald in BRD wie DDR noch anders. Zu dieser Zeit entstanden die wichtigsten Werke zum Großteil bereits vor den mit Heimat- und Urlaubsfilmen effektiv bestrahlten 50er- und frühen 60er-Jahren. Liebe 47 nach Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür, Die Mörder sind unter uns von Wolfgang Staudte und mit Hildegard Knef sowie Das Mädchen Rosemarie von Rolf Thiele mit einem echten „All Star Cast“ spiegeln Armut, alltägliche Korruption und eine nicht ausreichend erfolgte Entnazifizierung wider. Und dies so nah an Zeit und Personen, wie es selbst die 68er nicht und erst recht kein heutiger Regisseur einem Millionenpublikum seitdem präsentiert hat.
Die Bleierne Zeit von Margarethe von Trotta knüpft hier angesichts des RAF-Terrorismus und der nationalsozialistischen Kontinuitäten in Deutschland sage und schreibe erst 1981 an. Und auch Rainer Werner Fassbinder bedient sich vieler Männer- und Frauengeschichten, zeigt aber speziell mit Welt am Draht (nach Simulacron-3 von Daniel F. Galouye) schon 1973, wie die real existierende Matrix der Macht funktioniert. Ein Vergleich dieses Films mit Metropolis wäre eine Doktorarbeit wert.
Schlingensief? Gröning? Das Netz von Lutz Dammbeck? Große Filmkultur und Relevanz gehen selten zusammen.